„Politicians use statistics in the same way that a drunk uses lamp-posts—for support rather than illumination.“ (Andrew Lang, schottischer Schriftsteller)
Im Dezember 2016 macht eine Studie namens Perils of Perception die Runde, in der die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität zur Geltung kommt. In zwölf Ländern wurden von IPSOS MORI Menschen befragt, wie hoch sie den muslimischen Anteil der Menschen innerhalb der eigenen Bevölkerung schätzen. In allen Ländern wurde dieser Anteil ausnahmslos viel zu hoch eingeschätzt.
Dabei verschätzten sich die Menschen teilweise um den Faktor Vier: Beispielsweise denken die Franzosen, dass 32 % ihrer eigenen Bevölkerung islamischen Glaubens sind, tatsächlich sind es etwa 8 %. Teilweise verschätzen sich die Menschen sogar um den Faktor 17: So denken US-Amerikaner, dass 17 % der Bevölkerung Moslems sind, tatsächlich sind es nur 1 %. Aber die Darstellung der Ergebnisse ist problematisch.
Inhaltlich stellt die Studie eine wichtige Erkenntnis dar, die den derzeitigen Auftrieb der rechtspopulistischen Parteien über Grenzen hinweg zu einem Teil erklärt. Schließlich gehen diese Parteien auf Stimmenfang, indem sie nicht nur eine Bedrohung durch Menschen islamischen Glaubens erfinden, sondern auch die tatsächliche Zahl von Moslems maßlos übertreiben. Somit verdeutlicht diese Studie sehr eindrucksvoll, dass zwischen der angenommenen Zahl von Moslems innerhalb den Bevölkerungen und der Realität eine große Differenz besteht: In den untersuchten Ländern setzen die Menschen die Zahl der Moslems viel zu hoch an.
Auf der Webseite von theguardian.com erschien zu der genannten Studie der Artikel Europeans greatly overestimate Muslim population, poll shows. Der Artikel fasst die Erkenntnisse gut zusammen und versucht durch Diagramme, die Ergebnisse anschaulich darzustellen. Schauen wir uns eines der Schaubilder genauer an, merken wir jedoch, dass die Verfasser über das Ziel hinausschießen.
Das Diagramm ist manipulativ aufgebaut. Es geht bei den Zahlen um die Anteile von 100 befragten Personen, es wird also mit Prozent gerechnet. Im Diagramm endet die Obergrenze jedoch nicht bei 100, sondern bei 30. Positiv ausgedrückt verstärkt es den Effekt, dass die Mehrheit der Befragten mit ihrer Einschätzung fern von jeder Realität liegt. Tatsächlich aber dient diese Art der Darstellung im Endeffekt nicht der Sache, sondern schadet ihr eher. Sie versagt formal und bringt somit die gesamte Erhebung in Misskredit. Mit den Worten von Andrew Lang: Das Diagramm dient eher der Unterstützung der Autorenaussage und weniger dem Erkenntnisgewinn.
Ich habe das Diagramm im Folgenden mit den in der Erhebung genannten Zahlen erstellt und den Maßstab korrekt zwischen 0–100 % angesetzt. Auch hier sieht man, dass Wahrnehmung und Realität auseinanderliegen und man wird sich des Problems bewusst. Allerdings sieht die Diskrepanz nicht so dramatisch aus und lebt nicht von Effekthascherei.
Wer sich weitergehend über Tricks mit Statistiken und Diagrammen informieren möchte, wird beim Statistik-Lexikon: Definition Lügen mit Statistiken fündig. Dort erhält man einen guten Überblick und auch Literaturhinweise.
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